
02.10.2019 – 06.10.2019
U20 Poetry Slam Meisterschaft 2019
Erfurt, Landeshauptstadt von Thüringen
70 Slammer*innen aus Deutschland, Österreich und der Schweiz
Slammaster*innen, Moderator*innen, Features, Support aus der Szene, Bouts, das Orgateam, …
5 Tage Poetry Slam – Ich war mittendrin. Wie das aussah, wie sich das angefühlte und was ich mitnehme:



Ich bin schon Montag los, bin in Erfurt angekommen, habe 2 Freundinnen besucht, habe die Gespräche und Stadt genossen und mich gefreut.
Mittwoch:
Akkreditierung im Hotel.
Es gibt einen Ausweis, ein Festivalband und Geschenke: Jutebeutel, Notizbuch, Kugelschreiber und Schoki.
Koffer auspacken, ankommen, Stadt zeigen, Teamtext üben.
Dann ging es zur Eröffnungsshow.
Für mich ein Moment, der ganz viel auslöste.
Es war wunderschön so viele begabte Menschen auf der Bühne zu sehen, die etwas zu sagen haben. Es waren tatsächlich alle U20-Meister*innen vertreten, wie krass ist das denn bitte?!
Gleichzeitig aber auch ein Moment, in dem bei mir viel Panik aufkam.
Wir saßen oben im 2. Rang mit allen anderen Teilnehmer*innen der Meisterschaft. Ich hatte Sven, meinen Teampartner, ansonsten kannte ich ein paar Gesicher von anderen Slams, aber vor Allem hatte ich das Gefühl, dass alle anderen sich schon untereinander kennen und ich eben niemanden. In mir kam langsam Panik hoch, dass die nächsten Tage schrecklich werden, weil ich einsam sein werde, weil ich niemanden Backstage habe der mich unterstützt und dass ich keinen Anschluss finde.
Wer mich kennt weiß, dass das eigentlich nie passiert. Ich spreche Menschen gerne an, komme gut und schnell in Kontakt und finde Anschluss. Doch genau in dem Moment, da oben im 2. Rang, fühlte es sich nicht so an.
Die Aftershowparty war schön, noch schöner war es dann schon die ersten Menschen kennenzulernen, Celina zu begrüßen und anzukommen auf dem Festival. Ich blieb nicht bis zum Ende. Zu müde. Zu nervös. Auf ins Bett!
Donnerstag:
Tag der Vorrunden.
Morgens im Assembly ein paar Kennlernspiele. Dann in die Workshops.
Schreibtisch mit Yannick Steinkellner.
Die Essenz für den Auftritt am Abend: Genieß‘ die Zeit auf der Bühne. Es sind deine 5 Minuten. Am Ende musst nur du zufrieden sein. Niemand anderes. Egal was die Wertung sagt, wenn du zufrieden bist, dann wirst du auch glücklich sein.
Und wie recht er hat!
Gleichzeitig war es ein unglaublich großes Empowerment unter uns Teilnehmer*innen. Wir trugen unsere Texte vor, bekamen Feedback und waren froh, schon mal vor kleinem Publikum aufzutreten, bevor es abends auf die größeren Bühnen ging.
"Es gewinnt nie die*der Richtige. Es verlieren immer die Falschen." - Yannick Steinkellner
Dann noch der Workshop zur Moderation. Johannes Elster – Hanz – zeigt und erklärt uns, was für ihn eine gute Moderation ausmacht.
Mittagessen um 16 Uhr, dann auf zur Location.
Ankommen und schon wird es spannend: Losung der Startplätze.
Ich bekomme Startplatz 6, also letzte der ersten Gruppe.
Für mich eine große Erleichterung. Denn für die Jury bedeutet das, dass sie alle Texte gesehen haben und die Wertung dann vielleicht fairer ist. Doch dass der Startplatz egal sein kann, wurde mir später dann noch bewusst.
Der erst Auftritt. Die Location ist wunderschön. Es macht Spaß!
„Du bist wunderschön“ holt mich ins Halbfinale.
Von uns 12 Menschen kommen 4 ins Finale, ich gerade so knapp auf Platz 4.
Zeit zum freuen bleibt nicht wirklich.
Es geht mit dem Sammeltaxi weiter zur nächsten Location: Teamvorrunde.
Wieder ankommen, wieder Losung: Platz 4, also wieder letzte der ersten Runde.
Wir sind nervös, das Publikum hilft uns mit der super Laune.
Ich bin das erste Mal witzig auf der Bühne. Geil! Team „LeiderGeil“ kommt nicht ins Finale Stechen und trotzdem sind wir unglaublich zufrieden.
Es geht zur Aftershowparty. Ich komme so langsam wieder runter von all der Freude. Bleibe glücklich. Doch sobald das Adrenalin schwindet, kommt die Müdigkeit.

Freitag:
Es ist nicht mein Tag.
Ich wache morgens mit Halsschmerzen auf und vor Allem schlechter Laune.
Der Workshop hilft ein wenig: Praktische Moderation mit Kathi. Doch danach geht es aufs Zimmer üben für das Halbfinale oder eher Haare waschen und im Bett liegen. Denn das ist das, was ich wirklich tat.
Es regnete den ganzen Tag und genau so fühlte sich der Tag auch an.
Es ging also zur Location.
Spannung. Die Losung: Startplatz 1.
„Alles okay Carro? Kommst du mit dem Startplatz zurecht?“
„Ja“ ist meine Antwort. Doch eigentlich würde ich gerne Nein schreien.
Gerade heute, am Tag wo ich nicht gut drauf bin, nicht vor Selbstbewusstsein überlaufe, muss ich als erste auf die Bühne? Natürlich.
Kurz davor: Ich bekomme den Text im Kopf nicht richtig zusammen.
Doch ich möchte ihn auswendig machen. Das gibt bessere Bilder. Und es ist mein allererster Text. Mit dem hat alles angefangen. Den kann ich eigentlich sicher auswendig.
Dann passiert es doch: In einer Denkpause des Textes verliere ich den Anschluss. Vergesse 8 Zeilen und das bei einem eh schon kurzem Text. Nach 3 von 6 möglichten Minuten bin ich schon wieder von der Bühne und finde mich niedergeschlagen im Backstage. Jule Weber ist da und fängt mich auf. „Es geht nicht um den Wettbewerb.“ – „Ich weiß, aber ich bin einfach unzufrieden. Das war ein schlechter Auftritt.“ Es fällt mir schwer das zu akzeptieren und trotzdem, nach 20 Minuten habe ich mich gefasst. Dann kommt Yannick rein, hält mir seine Hand zum HighFive hin und sagt „Finale“. Meine Antwort „Nein, der Auftritt war schlecht. Ich bin sicher nicht weiter.“ „Doch Carro. Du bist im Finale. Deine Wertung war super.“ Ich kann es nicht fassen. Fange wieder an zu weinen. Finde mich in ganz vielen Umarmungen wieder und lese unglaublich im Ticker nach. Es hatte tatsächlich gelangt. Ab da war ich „Carro, die Platz 1 bezwang“ und in einem totalen Gefühlschaos.
Denn Finale heißt auch Startplatz bei den Meisterschaften in Berlin in 2 Wochen. Das ist krass! Wo ich doch nur durch Zufall, durch meinen ersten Sieg überhaupt, nach Erfurt fahren durfte. Ich freue mich riesig. Gleichzeitig auch hier wieder die Panik: Wie wird Berlin. Da sind sehr viele Menschen, die Erfolg haben, die bekannt sind, in der Szene und auch nach außen. Ich habe Angst unterzugehen.
Doch auch jetzt erstmal wieder Aftershow. Ich bin verwirrt, glücklich, fertig. Und so ist mir die Musik zu laut. Dafür gibt es gute Gespräche draußen und in der Hotellobby.
Samstag:
Meine Laune ist wieder da.
Egal wie es heute Abend aus geht, wir sind alle Sieger*innen. Wir fahren zusammen nach Berlin und vor Allem waren wir alle hier.
Ich freue mich auf den Auftritt im Kaisersaal, die wohl schönste Location in der ich bis jetzt auftreten durfte.
Der Tag verfliegt. Ich rede mit Menschen über meinen Text, über meine Vorfreude und schon stehe ich da. Im Backstage.
Das letzte Mal Anspannung, Losung: Startplatz 7, Vorletzte also.
Ich bin erleichtert. Habe also noch Zeit bis zum Auftritt.
Ich gehe auf und ab im Backstage. Übe nochmal den Text. Den hier habe ich noch nie auswendig gemacht und nach dem Hänger gestern habe ich Angst ohne Textblatt auszugehen. An meiner Seite Finn Holitzka. Er macht mir Mut, er spiegelt mir meinen Mut und setzt die Bausteine zusammen. Mir wird klar, dass ich den Text ohne Blatt kann. Ich habe das Blatt in der Hosentasche, wenn was ist hole ich es raus.
Dann ist es soweit.
Der Auftritt ist atemberaubend. Ich genieße es unendlich auf der Bühne zu stehen. Mich mitzuteilen.
Früher war ich dick. Heute bin ich glücklich. Früher vermied ich euren Blick. Heute stehe ich gerne im Rampenlicht. Früher war ich dick. Heute bin ich dick. Heute bin ich doch vor Allem glücklich. Früher vermied ich deinen Blick. Heute bin ich trotz dieses Wegs sehr sehr gerne ich.
Runter von der Bühne. Ich zittere vor Erleichterung, Stolz, Freude.
Feedback bekommen.
Konstruktiv von Finn und dann am Ende ganz viel emotionales von anderen.
Menschen die wegen meinen Worten weinen, die berührt sind, die sich verstanden fühlen. Menschen fragen mich oft warum ich slamme. Das ist der Grund! Genau das!
Ich brauche keine Siege, brauche keine Titel.
Ich möchte Menschen berühren, weiterbringen durch das Denken und Bestärken.
Ich lande übrigens wieder auf Platz 4. Wie jedes Mal auf den Meisterschaften. Ewige Vierte. Irgendwie auch ein Bild für sich: Konstant neben dem Rampenlicht und doch sehr nah dran und trotzdem mitten drin.
Abends wird gefeiert, gequatscht, getanzt.
Irgendwann ins Bett.
Sonntag:
Abschied.
Abfahrt.
Leere und trotzdem voll.
Es ist komisch plötzlich alleine zu sein, ohne alle Menschen um mich herum.
Es ist seltsam wie still es plötzlich ist.
Und trotzdem schön und nötig.
Jetzt zuhause.
Mein Kopf ist voller Ideen, mein Herz voller Eindrücke.
Mir ist klar geworden wie stark die Szene ist. Wie viel Spaß es macht. Wie viele tolle Menschen es doch auf dieser Welt gibt und wie gebündelt sie sich in der Slam-Szene befinden.
Danke.
Wir sehen uns in Berlin.
Ein Kommentar zu „U2019 Erfurt“