Dates mit mir selbst

Meine Schulzeit war davon geprägt, dass ich davon überzeugt war zu wissen, wer ich bin und was ich will. Und ich möchte garnicht behaupten, dass ich mir das nur eingebildet habe. Doch seit meinem Auszug und Umzug, meinem Studium, meinen Jobs und Ehrenämtern, ist da einfach so viel mehr. Ich habe neue Freund:innen, neue Ideen und Ansichten, neue Schwerpunkte. In der Schulzeit ging es mir darum beliebt zu sein, eine riesige Menge Menschen um mich zu haben, weil ich dachte, dass ich dann beliebt und somit sicher wäre. Sicher vor den Blicken, den dummen Kommentaren und Beleidigungen von früher. Doch die waren mittlerweile garnicht mehr von Außen an mich herangetragen, sondern hatten sich verankert. Meine inneren Kritiker waren viel lauter, als es alle anderen um mich herum hätten jemals sein können. Doch das sah ich damals nicht. Das wurde mir erst jetzt bewusst, im Studium, als Menschen um mich herum waren, die das kannten. Als ich mich traute und in Therapie ging. Als ich darüber redete und merkte, dass ich damit nicht alleine bin.

Ich habe das Gefühl, dass es in den eigenen 20ern viel darum geht, „endlich“ die Person zu finden, mit der ich mein Leben verbringen möchte, diese eine Beziehung, an der wir dann ewig festhalten werden. Und genau deshalb habe ich mich auf Dating-Apps angemeldet, auf Partys und Konzerten neue Menschen kennengelernt, rumgeknutscht und war freier als jemals zuvor. Und doch hat es nicht geklappt. Und natürlich habe ich den Fehler bei mir gesucht und irgendwie auch gefunden, allerdings nicht so wie gedacht. Meiner Ansicht nach musste ich nicht hübsch genug, nicht sexy genug, nicht klug genug oder zu klug, nicht leise oder laut genug, nicht genug gewesen sein, sonst hätte das doch geklappt. Also wollte ich mich selbst perfektionieren, habe mir Nagellack gekauft, neue Kleidung. Bin zum Sport und habe meine Ernährung, mal wieder, umgestellt. Habe mehr gelesen, mehr zugehört, versucht mehr Schlaues zu reden, mehr zu lesen, mehr aufzunehmen, mich mehr einzusetzen, mehr auf die Straße zu gehen. Ich wollte so sehr, dass andere sehen, dass ich doch liebenswert bin. Dabei war die einzige Person, die ich davon wirklich überzeugen musste, ich selbst. Denn ich war mich sicher, dass ich das alles nicht sei und als ich das bemerkte, machte es Klick. Ich brauche keine Dates mit anderen Personen, denen ich das alles, mich, überzeugend vorspielen möchte. Ich brauche Dates mit mir selbst, um mich tatsächlich kennenzulernen, um mich selbst lieben zu lernen (ich hasse mich für so einen kitschigen Satz, aber es ist wahr…) und im mit mir selbst diese Beziehung aufzubauen. Diese Beziehung, die ich in meinen 20ern finden soll, an der ich ewig festhalten möchte, ist die Beziehung zu mir selbst.

Also gehe ich mit mir selbst auf Dates. Alleine. Mache allen mögliche, worauf ich Lust habe, einfach nur für mich und mit mir selbst. Was das so ist? Ich war alleine im Kino, auf einer Lesung, alleine in einem tollen Restaurant, in einem kleinen Buchladen mit Café, in einer Kunstausstellung und jetzt sitze ich in einem Café, alleine, und schreibe diesen Text. Natürlich kommt jetzt die berechtige Frage auf, wir mir das helfen soll, eine gute Beziehung zu mir selbst aufzubauen.

1. Sich alleine irgendwo hinzusetzen, in eine Umgebung, in der eigentlich die meisten immer zu zweit oder in Gruppen sitzen, braucht für mich Mut. Es zeigt mir, dass ich mir genüge, dass ich das kann. Ich beweise es mir selbst, dass ich diese Blicke auch aushalte und einfach machen kann, worauf ich Lust habe und nicht darauf warten muss, dass jemand mich begleitet.

2. Ich darf mir das gönnen! Warum ist die Kunstausstellung nur okay, wenn mich jemand begleitet? Warum sollte ich mit dem neuen Restaurant warten? Ich kann ja nochmal hingehen mit einer Begleitung. Warum darf ich das nicht einfach mal für mich machen? Darf ich! Also mache ich es auch.

3. Wenn ich alleine unterwegs bin, habe ich auch niemanden, mit dem ich mich unterhalte. Also denke ich, zwangsläufig, über alles mögliche nach und habe auch erstmals wieder die Zeit dafür. Deshalb gibt es eben auch die „Dates“, bei denen ich einfach nur im Café sitze, mit einem Notizbuch und meinen Gedanken freien Lauf lasse, einfach mal überlege, was mich ausmacht, was toll ist, woran ich – für mich! – arbeiten möchte.

Genau deshalb mache ich das. Und es war die beste Entscheidung des letzten halben Jahres. Der Druck anderen Menschen etwas, mich, beweisen zu müssen, ist so viel kleiner geworden. Ich mache soviel mehr für mich. Mein Studium, meine Kunst, mein Schreiben, meine Ehrenämter. Das alles ist meine Entscheidung, mein Tun, mein Wachstum. Wenn es mir nicht gut tut, darf ich Pausen machen, darf ich Dinge ändern. Ich darf nicht nur, ich muss sogar. Denn es geht nicht darum anderen zu beweisen, was ich doch alles kann. Es geht darum mir selbst zu zeigen, wie weit ich gekommen, was ich damit machen kann. Zu tun, was ich mag und mir gut tut. Etwas zurück zu geben an andere, weiterzugeben, aber nicht zum Preis meiner Person. Ich muss, darf und will mich darin nicht verlieren oder aufgeben. Och möchte wachsen und auf mich selbst aufpassen, denn wer macht es denn sonst für mich? Es ist meine Aufgabe! Die Aufgabe meiner 20er, die ewig anhaltende, wenn auch wandelnde und sicherlich nicht immer leichte, Beziehung zu mir selbst aufzubauen.

2 Kommentare zu „Dates mit mir selbst

  1. Was ein toller Text, über die dates mit dir selbst.
    Ich glaube, nein ich weiß ich habe meine 20iger auch so verbracht, immer musste es laut um mich sein und viele Menschen, Freizeitstress.
    Corona hat doch was gutes, es hat die Geschwindigkeit raus genommen, ich habe sehr viel Zeit mit mir selbst verbracht, Meditieren und Yoga habe ich völlig neu für mich entdeckt und meine Sichtweise auf vieles.

    Dich habe ich das erste Mal in Mosbach beim poetry slam gehört und ich war begeistert.
    Mach weiter so.
    Deine Texte berühren
    Und ich sage mir immer,
    Ich bin gut so wie ich bin und mit mir zufrieden und das ist die Hauptsache.

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    1. Vielen lieben Dank für deinen Kommentar und deine Erfahrungen!
      Ja, die letzten 2 Jahre sind wirklich um einiges langsamer gelaufen, was sicherlich auch richtig positive Seiten hatte. Das habe ich ähnlich erlebt.
      Wie schön, dass du mich in Mosbach entdeckt hast und dir meine Texte gefallen!
      Und du hast ja so recht. Die erste Person die mit dir zufrieden sein muss bist du. Alle anderen sollten danach kommen 🙂

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